Gespannte Leine – Stress für Hund und Halter
Man sieht sie oft – Hundehalter, die von ihrem Hund hinterher geschleppt werden. In ihrer Körperhaltung erinnern die Halter dabei an Wasserskifahrer mit etwas zuviel Vorlage. Der Spaß, den Hunde an einem solchen Spaziergang haben, hält sich offensichtlich in engen Grenzen. Da wird gekeucht, gehechelt, der Hals wird abgeschnürt und die blutunterlaufenen, hervorquellenden Augen lassen auf einen erhöhten Blutdruck schließen.
Warum macht der Hund das?
Fast immer macht der Hund das, weil er nicht geführt wird.
Im schlimmsten Fall
kennt der Hund seine Stellung im Rudel nicht. Er wird prinzipiell nicht oder nur halbherzig und inkonsequent korrigiert. Er erlebt auch sonst keinerlei Einschränkungen. Ein solcher Hund mag seinen Halter zwar heiß und innig lieben, nimmt ihn aber nicht für voll. Er weiß instinktiv, dass er sich auf seinen Halter nicht verlassen kann und übernimmt die Führung, weil er sonst verlassen ist.
Dazu ein Post auf Der Seite einer FB-Gruppe:
„Hallo! Suche dringend jemanden der/die 1mal pro Woche mit meinen Rudi (Name geändert) 2stunden spazieren geht! Man braucht viel kraft da er sehr stark ist und ordentlich zieht! Er ist ganz brav verschmust. (sic!)“
Der dazu abgebildete "Rudi" ist ein freundlich dreinblickender Staffordshire-Bullterrier, der kräftig genug erscheint, einen Mittelklassewagen aus dem Graben zu ziehen.
In abgeschwächter Form
kennt der Hund zwar seine Rudelstellung und ordnet sich seinem Halter unter, zieht aber trotzdem wie ein Traktor. Der Grund dafür ist in der Körpersprache und im wahrsten Sinne des Wortes im Auftreten seines Halter zu finden. Der Halter kommuniziert dem Hund unbewusst seine Unsicherheit und der Hund richtet sich danach. Leider ist es nur selten ausreichend, seine Körpersprache zu verändern. Der Hund wird dem Halter die Veränderung nicht abnehmen, solange diese nur schauspielerisch dargestellt wird und nicht mit einer Änderung der inneren Einstellung einher geht. Ein fremder Hund lässt sich vielleicht davon täuschen, der eigene sicher nicht.
Eine Sonderstellung
nimmt der verteidigende Hund ein. Er geht brav an durchhängender Leine, legt sich aber ins Zeug, sobald er glaubt, seinen Halter verteidigen zu müssen. Meistens gib ihm sein Halter sogar deutliche Signale, die ihn zu diesem Verhalten animieren. Oft hört man schon von weitem die angsterfüllte Frage: „ Ist es ein Manderl / ist es ein Weiberl?“. Hat man selbst einen Hund mit dem „falschen“ Geschlecht an der Leine, verkrampft sich der Mensch am Ende der Leine des entgegenkommenden Hundes, das Tier interpretiert die Situation dementsprechend als höchst bedenklich. Der Hund legt sich ins Zeug und verteidigt seinen Menschen mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln.
Einer meiner Klienten dachte ernsthaft, sein Hund würde alle Hunde mögen, ausgenommen schwarze Pudel. Diese Annahme ist absurd. Der Hund meines Klienten hat überhaupt keinen Begriff von „Schwarzer Pudel“, Rasse und Farbe eines Artgenossen sind ihm prinzipiell egal. In Wirklichkeit verkrampfte sich mein Klient beim Anblick eines Pudels schon von weitem und der Hund spiegelte seine Gefühlslage. Nachdem der Halter seine Vorurteile bezüglich schwarzer Pudel abgelegt hatte, verschwand die vermeintliche Aversion seines Hunde sofort.
Warum soll der Hund nicht ziehen, wenn es den Halter nicht stört?
Weil er Stress hat. Er würde sich wohler fühlen, wenn er den Spaziergang an lockerer Leine genießen könnte, anstatt unter ständigem Leistungsdruck zu stehen. Dieser chronische Leinenstress führt zu gesundheitlichen Problemen und damit letztlich zu einer eingeschränkten Lebenserwartung.
Hilft eine andere Leine / eine andere Halsung / ein Brustgeschirr?
Prinzipiell wird ein Hund nicht körperlich, sondern psychologisch geführt. Trotzdem gibt es besser und schlechter geeignetes Equipment.
Eher kontraproduktiv sind alle Arten von Brustgeschirren. Sie sind eher dazu geeignet, dem Hund das Ziehen zu erleichtern.
Ebenfalls nicht besonders zielführend sind Rollleinen, Sie erlauben wenig Kontrolle und der Hund kann sich nicht auf eine bestimmte Länge einstellen.
Ein Wechsel der Ausrüstung alleine bringt meist nur kurzfristig Verbesserungen, wenn dieser Wechsel des Materials nicht mit einem Wechsel der Körpersprache und der Einstellung des Halters einhergeht. Ist das aber der Fall, dann kann der Wechsel zu einer Moxon- bzw. Retieverleine gute Ergebnisse bringen.
Eine Moxon- bzw. Retrieverleine
1: Zugbegrenzung: Sollte so eingestellt sein, dass zwischen Halsung und Hundehals noch zwei Finger bequem Platz haben. 2: Laufring. 3: Stopp. 4: Halsung 5: Halteschlaufe
Ein NoGo sind alle aversiv wirkenden Halsbänder, zudem sind sie in Österreich illegel:
Wie ändert man die eigene Körpersprache und Einstellung?
Hat man den Änderungsbedarf einmal erkannt, dann hat man damit schon den ersten und schwersten Schritt zur Verbesserung getan. Leider sind richtige Körpersprache und richtige Einstellung schriftlich schwer zu vermitteln. Hilfe von einem Profi anzunehmen, ist keine Makel. Nehmen Sie das Angebot eines guten Hundecoaches in Ihrer Umgebung wahr, Ihr Hund wird es Ihnen danken und Sie werden die Spaziergänge in Zukunft genießen können, anstatt von Ihrem Hund durch die Gegend geschleppt zu werden.
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